Kommentar: Widersprüche und die fehlende Regulierung

Eine persönliche Meinung von Frank Boneberger

teltarif.de berichtet im Zusammenhang mit unserer Kampagne zur Förderung der 0700-Rufnummern über die Ansichten der Bundesnetzagentur und exemplarisch die Sicht einiger Telefongesellschaften.

https://www.teltarif.de/0700-kosten-ig-0700-bundesnetzagentur-anbieter/news/80562.html

Offensichtlich stehen sich Bundesnetzagentur und Telefongesellschaften einerseits und Politik und Verbraucher andererseits gegenüber. Die Netzagentur zelebriert Schulterzucken, während die Provider sich in Widersprüchen verheddern. Wat denn nu?

Laut Bundesnetzagentur sind zwar 123.000 0700-Rufnummern vergeben, aber nur 15.000 0700-Rufnummern sind geschaltet. Davon werden nur 5.000 0700-Rufnummern genutzt.

Aus der geringen Nutzung folgern die Telefongesellschaften nun, dass die Vermittlung von 0700-Rufnummern bisher zwar kein Problem gewesen sei, jedoch zukünftig durch die Umstellung auf IP-Telefonie viel Geld kosten würde.

Seltsam, weil die Vermittlungstechnik zukünftig aus Computern besteht, die Telefonate über das Internet leiten. Das ist wesentlich unkomplizierter komplizierter als die klassische Technik mit dedizierten Leitungen. Nicht ohne Grund ist VoIP die Zukunft!

Des Weiteren ist die Rede von angeblich hohen Kosten, welche durch die Integration der 0700-Rufnummern in Flatrates verursacht würde. Ist das nicht ein Widerspruch? Wie kann eine Vorwahl einerseits so schwach genutzt sein, sie aber dann – bei ihrer Tarifierung als Festnetz- oder Mobilfunknummer (= deren Integration in Pauschaltarife) – so hohe Kosten verursachen?

Dabei könnte man die Infrastruktur der 0800-Rufnummern nutzen, die insbesondere die großen Provider 1&1 und DTAG gerne anbieten.

Stellt sich noch die Frage, warum haben die Telefongesellschaften der Welt in den vergangenen 23 Jahren den Gefallen der Vermittlung von 0700-Rufnummern getan? Aus purer Nächstenliebe vermutlich nicht.

Wat denn nu? Offenbar hat man an der 0700-Rufnummer Geld verdient, so lange es ging. Denn noch immer sind die Anrufe zur 0700 nicht reguliert und kosten bis zu 71 Cent pro Minute. Und jetzt müsste man die 0700-Rufnummer in die neuen VoIP-Systeme integrieren, was technisch zwar kein Problem wäre, aber im Sinne der höchstmöglichen Kosteneffizienz (neudeutsch für „maximaler Profit“) fällt die 0700-Rufnummer einfach unter den Tisch. Man möchte sich auf wenige, profitable Produkte konzentrieren und natürlich mit „anderen“ Leistungen zusätzlich Geld verdienen.

Zum Beispiel mit der „Nummernportierung“. Privatpersonen nutzen zum Telefonieren heute fast nur noch Mobilfunkgeräte und da kann man beim turnusmäßigen Vertragswechsel zumindest seine alte Rufnummer mitnehmen. Das lassen sich die Anbieter gerne bezahlen, aber eine Nummernportierung wäre bei der 0700-Rufnummer ja nicht mehr nötig.

Für Gewerbekunden bieten die Provider jetzt verstärkt 0800-Rufnummern an, die technisch nichts anderes sind, als 0700-Rufnummern, komischerweise aber nicht die Probleme bei der Vermittlung machen.

Das muss wohl daran liegen, dass der Angerufene bei einer 0800-Rufnummer auch dann bezahlt, wenn der Anrufer eine Flatrate hat. So kassieren  die Telefongesellschaften gleich doppelt.

Die 0700-Rufnummer ist eine virtuelle Rufnummer, die seit Ende der 90er problemlos vermittelt wird, also zu schon zu einer Zeit, als Vermittlungsstellen noch analog, ISDN der letzte Schrei und das Internet noch Neuland war. Sie war damals schon das, was heute jede Rufnummer ist: eben virtuell und technisch nicht mehr mit einem Anschluss verbunden.

In einer Zeit der Individualität, in der Autokennzeichen längst nicht mehr existenter Landkreise mit den Initialen des Fahrzeughalters und seiner Glückszahl für ein paar Euro bei jedem Straßenverkehrsamt möglich sind, stellt man die 0700-Rufnummer als nutzlos dar.

Und die Reserven? 100 Millionen Menschen könnten rechnerisch ein Leben lang mit einer 0700-Rufnummer erreichbar sein, egal bei welchem Telefonanbieter, egal ob im HomeOffice oder unterwegs, egal ob privat oder geschäftlich.

Dabei sind Rufnummern knapp und deshalb mittlerweile nicht mehr nach Anbietern getrennt oder als solche gut zu erkennen. Ich persönlich verwechsle die Mobilvorwahl „0152“ gerne mal mit der Vorwahl von Münster „0251“. Da wäre die 0700-Rufnummer eine echte Abhilfe.

Aber weil sich die Netzagentur für nicht zuständig erklärt und man ansonsten fast nur noch auf die Wirtschaft hört und zu wenig an den Verbraucher denkt, geht die eigentlich gut gemachte Innovation der 0700-Rufnummer nun den Weg der höchstmöglichen Kosteneffizienz, bzw. des maximalen Profits: staatlich initiiert und von der Wirtschaft begraben.

Nein, natürlich ist es nicht so, dass das Telekommunikationswesen an der 0700-Rufnummer zugrunde geht. Der Kern dieses kleinen und unwichtigen Problems ist aber der gleiche, wie der Kern anderer Probleme in der Welt: Gut gedacht, schlecht gemacht, überreguliert, wegretuschiert, ignoriert und dann wegrationalisiert.

Wat denn nu? Den Inhabern von 0700-Rufnummern wurde eine lebenslange Rufnummer versprochen. Und natürlich kann man die Rufnummer nach 20 Jahren zwar behalten, aber nicht mehr nutzen kann, weil der Gesetzgeber nicht gewillt oder im Stande ist, das Versprochene auch zu gewährleisten.

Die vielleicht letzte Chance ist die derzeitige Novelle des TKG. Es wäre schön, wenn der Verbraucher als Nutzer von Telefon und Telefonnummer im Fokus des Gesetzgebers steht.

Wie wäre es mit einer einfachen Regelung: lebenslange 0700-Rufnummern für Privatpersonen und 0800-Rufnummern für Unternehmen, beispielsweise. Natürlich in Flatrates enthalten.

Man wird ja noch träumen dürfen…

Hinweis: Dieser Kommentar ist die persönliche Meinung des Autors und spiegelt nicht die Sicht der Mitglieder der IG wider.

kontakt@ig0700.de

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