Kommentar: Fehlende Gesetze und eine Netzagentur, die überraschend ihren Job macht

Die Posse rund um die 0700-Rufnummer zeigt wieder einmal auf, wo Spätfolgen der neoliberalen 1990er Jahre immer noch Verwerfungen in Deutschland und Europa erzeugen: Die Deregulierung des Telekommunikationsmarktes wird von kaum einem Experten und schon gar nicht von Laien als Erfolg gewertet.
Zwar klang die damalige Idee, dass eine privatwirtschaftliche und wettbewerbsorientierte Telekom AG die Fernmeldeabteilung der Deutschen Post von der betulichen Behörde zu einem innovativen Unternehmen transformieren würde nicht schlecht, allerdings schwante den damaligen Entscheidungsträgern in der Politik recht schnell, dass die Privatisierung unter fairen Bedingungen schiefgehen könnte. Daher gab man der Telekom die letzte Meile exklusiv, und diese nutzte dieses Monopol weidlich aus: wer im Internet recherchiert muss zwangsläufig den Eindruck erhalten, dass ein Telefonanschluss in den 1990ern den Status eines Lottogewinns hatte oder dem Aufwand einer Promotion in Humankybernetik entsprach.

Seitdem wurde Deutschland bis auf den 30/140 Platz (Bandbreite mobiles Internet) bzw. den 44/179 Platz (Bandbreite Festnetz Internet) aller Länder durchgereicht (Stand Januar 2022, Quelle: https://www.speedtest.net/global-index), bei den Gebühren sind wir aber zuverlässig unter den Top 3.

Dazu kommen massige Probleme bei Verfügbarkeit, Service und natürlich den sehr speziellen Phänomene wie die Transitverweigerung bei der Erreichbarkeit von 0700-Rufnummern aus dem Ausland.

Der Gesetzgeber hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wie der Zauberlehrling verhalten, der die selbstgerufenen Geister nicht mehr unter Kontrolle bekam. Die Telekom schreibt die Gesetze zu ihrer Regulierung am liebsten selbst und darf sich auch weiterhin dank vieler Gesetzeslücken auf Kosten der Verbraucher bereichern. Und da Parlamentarier, insbesondere das Referat „Digitalisierung“ mit ihren unfähigen Dienstherren, auch bekannt als „Bundesverkehrsminister“, namentlich Wolfgang Tiefensee, Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt und natürlich der „Gottvater aller Versager“ Andreas Scheuer, wenig Lust auf Veränderungen hatten, waren Novellen des Telekommunikationsgesetzes nicht besonders häufig. Das spielte der DTAG in die Karten, weil sie neben der „gestalterischen Komponente“ auch das Aussitzen zu Ihrem Vorteil nutzen konnte.

Übrigens hat und wird dieses Verhalten einen volkswirtschaftlichen Schaden von mehreren Milliarden Euro verursachen.

Leider war die Bundesnetzagentur (vormals „Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation“) in der Vergangenheit als Aufpasser wenig effektiv und fiel eher durch eine kongludente Verweigerungshaltung auf. Dies ändert sich hoffentlich nun, wenn der neue Behördenleiter Klaus Müller als ehemaliger Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen weniger konzernhörig und bräsig agiert. Allerdings wird Müller mit den Problemen der Energiewende und der Energiebeschaffung gut ausgelastet sein.
Umso mehr erfreut es uns, dass die Bundesnetzagentur im Fall der Auslandserreichbarkeit von 0700-Rufnummern nun nicht nur aktiv geworden ist, sondern auch einen aufwendigen Lösungsweg erarbeitet hat. Nach Auskunft eines Mitarbeiters ist das auch einer gewissen IG zu verdanken, die dort ausdauernd genervt hat. In diesem Sinne möchten wird der Bundesnetzagentur auch mal danken! Wir hoffen auf einen Erfolg der Mission wünschen uns für die Zukunft, dass die Behörde mit dauerhaft weniger Druck flexibel bleibt.